Der Geschäftsbericht der
Nichteisen-Metallindustrie

18.19

Energiepolitik
Der Beschluss der Kommission „Wachstum,
Strukturwandel, Beschäftigung“:

Was jetzt
wichtig ist

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Lange hat die Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ (WSB) sich bis zu ihrem Beschluss beraten und dabei sogar die ursprünglich gesetzten Zeitvorgaben um mehr als einen Monat überschritten.

Michael Schwaiger
ist Leiter für Energiepolitik bei der WVMetalle. Sie erreichen ihn unter 
schwaiger@wvmetalle.de

Am 26. Januar 2019 hat sie nun der Bundesregierung das Ergebnispapier übergeben und ihre Empfehlungen übermittelt. Der Grund für die Verzögerung: Es gab dicke Bretter zu bohren und breite Gräben zuzuschütten. So drohten die Verhandlungen immer wieder zu scheitern. Bis zuletzt stand im Raum, dass die Wirtschaftsseite den Verhandlungstisch verlassen muss, weil ihre berechtigten Bedenken nicht angemessen berücksichtigt werden. Am Ende standen ein Kompromiss und das Kohleausstiegsjahr 2038. 

Der Hauptfokus legt der Beschluss auf die Konsequenzen dieses Kohleausstiegs und adressiert damit die für die Kommission namensgebenden Aspekte „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“. Für die Industrie sind dabei zwei Punkte von zentraler Bedeutung:

Erstens empfiehlt die Kommission zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit eine mehrdimensionale Kompensation der Kosten für die energieintensive Industrie: Die Netzentgelte sollen ab 2023 um zwei Milliarden Euro pro Jahr reduziert und die Strompreiskompensation im Rahmen des Emissionshandels verstetigt und fortentwickelt werden. Notwendig wären eine Erhöhung der Beihilfenintensität, die Abschaffung der Degression und eine Begrenzung der Gesamtbelastung der indirekten CO2-Kosten in Härtefällen.

Die Netzentgelte sollen ab 2023 um zwei Milliarden Euro reduziert werden und die Strompreiskompensation im Rahmen des Emissionshandels verstetigt und fortentwickelt werden.

Empfehlung der Komission zum
Schutz der Wettbewerbsfähigkeit

Lösungen müssen langfristig wirken 

Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Bundesregierung ein beihilferechtskonformes Instrument zum wirkungsvollen Schutz vor Carbon Leakage entwickelt, um diejenigen energieintensiven Unternehmen zu entlasten, die nur unzureichend von der empfohlenen Reduzierung der Netzentgelte profitieren. Um die Wettbewerbsfähigkeit stromintensiver Industrieunternehmen nicht zu gefährden, muss die Politik hierfür langfristige Lösungen erarbeiten, die als Entlastungsinstrument dauerhaft einer Prüfung durch die EU-Kommission standhalten.

Dafür hat die WSB-Kommission wohlwissend eine Öffnungsklausel in den Beschluss aufgenommen: „Deshalb ist sich die Kommission einig, dass begleitende Maßnahmen zur Begrenzung der Strompreise erforderlich sind, um die Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie zu sichern.“ Die konkrete Ausgestaltung ist komplex und konnte in den Beratungen nicht abschließend geklärt werden. Als Zwischenfazit lässt sich sagen: Die Notwendigkeit eines Instruments zum Schutz stromintensiver Unternehmen hat die WSB-Kommission erkannt und deshalb in ihre Empfehlungen aufgenommen. Die Bundesregierung muss ein solches Instrument zur Kompensation des Preiseffektes entwickeln und dies auch in Brüssel mit der EU-Kommission umsetzen.

Die Notwendigkeit eines Instruments zum Schutz stromintensiver Unternehmen hat die Kommission erkannt und deshalb in ihre Empfehlungen aufgenommen.

Carbon Leakage

Carbon Leakage bedeutet â€žVerlagerung von CO2-Emissionsquellen“, also das Abwandern industrieller Produktion aus Ländern mit strengen CO2-Emissionvorgaben (z. B. der EU) in Länder ohne solche oder mit geringeren Vorgaben. Dies führt häufig zu vermehrten globalen CO2-Emissionen: Das in Ländern mit viel geringeren Umweltauflagen gewonnene Metall muss kohlenstoffintensiv an die Weiterverarbeitungs-Standorte transportiert werden. Die Abwanderung von Unternehmen und Produktion bedeutet auch einen Verlust an Arbeitsplätzen z. B. in Deutschland.

 

 

Gesamtbegrenzung staatlicher Kosten schafft Planungssicherheit

Grundsätzlich braucht die energieintensive Industrie langfristig Planungssicherheit, gerade hinsichtlich der Stromkostenbelastung im Zuge der Energiewende. Aus Sicht der WVMetalle wäre die Gesamtkostenbegrenzung staatlicher Stromkostenbestandteile hier ein wichtiger Punkt. Die WVMetalle hat diesen Ball aufgegriffen und mit dem Vorschlag einer Gesamtbegrenzung staatlicher Kostenbestandteile in Form eines Cap/Super-Caps in Anlehnung an die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) ein mögliches Konzept erarbeitet. Die staatlichen Kostenbestandteile auf der Stromrechnung des Unternehmens werden erfasst, mit der Strommenge verrechnet, aufaddiert und in Relation zur Bruttowertschöpfung (BWS) gesetzt. Das, was auf der Stromrechnung an staatlicher Belastung über einen wettbewerbsverträglichen Prozentsatz der BWS hinaus geht, wird kompensiert. Ein solcher Gesamtdeckel schafft Sicherheit für längerfristige Planungen; denn stromintensive Unternehmen könnten sich so darauf verlassen, dass trotz Kostensteigerungen bedingt durch die Energiewende eine bestimmte Gesamtbelastung nicht überschritten würde.

Die Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs hat das Konzept einer Gesamtkostenbegrenzung im Auftrag der WVMetalle geprüft und kommt in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass ein solches Konzept beihilferechtskonform umsetzbar ist, soweit bei den einzelnen einbezogenen Kostenbestandteilen eine Begrenzung möglich ist. Dies ist bei den meisten der untersuchten Bestandteile der Fall. Somit könnte bereits nach heute bestehendem Beihilferecht ein Cap-/Super-Cap-Konzept umgesetzt werden. Lediglich für die Berücksichtigung der indirekten CO2-Kosten in der Gesamtkostenbegrenzung bedürfte es einer Änderung des geltenden EU-Rechts. Konkret müssten die Leitlinien zur Stromkompensation angepasst werden. Die Europäische Kommission hat bereits im Dezember 2018 die Ãœberarbeitung dieser Leitlinien für die Zeit ab 2021 angekündigt.

Cap

Die Energieintensive Industrie braucht langfristig Planungssicherheit, gerade hinsichtlich der staatlichen Stromkostenbelastung im Zuge der Energiewende. Eine Gesamtkostenbegrenzung hierfür in Form eines Deckels, auch Cap genannt, in Relation zur Bruttowertschöpfung könnte die Lösung sein.

Zweitens sehen die Empfehlungen der Kommission für die Jahre 2023, 2026 und 2029 ein Monitoring hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen vor. Gemessen an verschiedenen Parametern – etwa dem Niveau an Versorgungssicherheit nach dem Atomausstieg oder dem Stand des Netzausbaus – soll überprüft werden, ob und wie an den Planungen festgehalten werden kann. Beispielsweise könnten Nachjustierungen notwendig werden, um die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Stromversorgung zu garantieren. Ein robustes, qualifiziertes und objektives Monitoring mit der Möglichkeit zur Kurskorrektur kann im Ernstfall bei Fehlentwicklungen als wichtige Reißleine dienen. 
Ulrich Altstetter, Vorsitzender des Energie- und Klimaausschusses der WVMetalle, hat die zentralen Punkte für die Nichteisen-Metallindustrie als Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags vorgetragen.

"Wenn-Dann" als Bedinungen für einen Kompromiss

Eine entscheidende Bedingung dafür, dass der fragile Kompromiss zustande kam, ist der kausale Zusammenhang: Es gilt, „ohne dass, … kann nicht“. Im Klartext: Ohne dass Maßnahmen zur Kompensation und Strukturentwicklung geschaffen werden, können Kraftwerke nicht abgeschaltet werden. Ohne Sicherung der Kompensationskosten für die Industrie kann nicht auf die Kohleverstromung verzichtet werden. Ein Aufweichen dieser notwendigen Bedingung wäre fatal. Bei einem solchen Kompromiss hätte die Wirtschaftsseite nicht zustimmen können. Schließlich ist sie es, die die Konsequenzen trägt.

Autor

Michael Schwaiger ist Leiter 
Energiepolitik bei der WVMetalle.
Sie erreichen ihn unter 

schwaiger@wvmetalle.de